Weg mit den Ishikawa

Weg mit den Ishikawa

Am Mittwoch (8.2.2017) durfte ich in einem unserer Entwicklungsteams die Retro durchführen. Da ich nur Vertretung hatte, und wenig Zeit zur Vorbereitung, habe ich mir das Beispiel aus dem Buch von Ralph und Veronika ausgeliehen – und es lief super. Am Ende der 55-minütigen Retro ist mir dann etwas aufgefallen, das mich an meine Anfänge mit der lösungsfokussierten Vorgehensweise erinnert hat.

Der Team-Raum ist sehr klein und hat wenig freien Platz an den Wänden (mehrere Boards und eine freie Fläche für die Projektion). Daher fragte ich: „Wo können wir das aufhängen?“ „Natürlich auf der Innenseite der Türe“ kam sofort als Antwort. Beim Anblick der Türe schaute ich nur sorgenvoll (da klebte in X Schichten Flipchartpapier mit zig Post-It’s drauf). „Das können wir alles abreißen, das ist alles alt und umgesetzt haben wir gar nichts“ kam vom Team. Wer schon länger in und mit agilen Teams arbeitet, kennt das vielleicht auch und ich war froh, dass wir gemeinsam so einfach „klar Schiff“ machen konnten.

Auf dem Rückweg in mein Büro erinnerte ich mich plötzlich an eine Situation im Februar 2016. Ich weiß genau noch den Tag. Es war Dienstag, der 16. Februar, und ich war am Abend zuvor beim 66. Agile Monday in Nürnberg. Mir klang ein Satz von Ralph immer noch nach: „Der Lösung ist es (meist) egal, wie das Problem entstanden ist.“

Voller Begeisterung erzählte ich auf dem Weg von der Tiefgarage zu meinem Büro jedem Kollegen, wie toll der Vortrag war. Da kam ich an einem kleinen Besprechungsraum vorbei, in dem zwei Kollegen vor einem großen Ausdruck (Plott) eines Ishikawa-Diagramm standen und sehr vertieft waren. Da die Tür offen stand, ging ich rein und fragte:

„Na, bringt euch das Ishikawa weiter?“

Da die Antwort nicht sehr überzeugend war, präsentierte ich gleich meine neue Erkenntnis: „Der Lösung ist es (meist) egal, wie das Problem entstanden ist.“ Die Kollegen schauten mich halb entsetzt, halb froh an und meinten: „Nun arbeiten wir schon mehr als zwei Tage daran und sind noch keinen Schritt weiter, obwohl wir mit vielen Kollegen zusammen so viel Energie reingesteckt haben.“ Es sah so aus, als ob sie erleichtert wären, damit aufhören zu können. Sie wirkten gleich etwas entspannter.

Als Nachsatz kam noch etwas wie: „Wir haben das immer so gemacht, aber wenn wir ehrlich sind, ist noch nie etwas Nachhaltiges dabei rausgekommen.“ Da meinte ich in meiner lockeren Art: „Wenn es nicht (mehr) funktioniert, lass es bleiben und mache etwas anderes.“ Schließlich hatte ich ja am Abend vorher alles „aufgesaugt“, was es dazu zu sagen gibt.

Dann machte ich mich weiter auf den Weg in mein Büro. Einige Zeit später kam ich wieder an dem Raum vorbei, der war leer und das Ishikawa war weg. Beim Mittagessen erzählte mir einer der beiden Kollegen, wie viel Aufwand sie in diese Analysen gesteckt hatten und wie wenig dabei rauskam, bzw. wie erschöpft sie danach waren, was zur Folge hatte, dass sie nie Maßnahmen daraus ableiten konnten.

„Wir haben Dich verstanden: Schmeißt die Ishikawa weg und konzentriert euch auf die Lösung(en).“

Im Laufe der nächsten zwei Tage sind alle Ishikawas von den Wänden verschwunden. Ich habe seitdem nichts mehr davon gehört, auch nicht, dass jemand auch nur einem davon nachtrauert(e).

Viel wichtiger aber ist, dass die Kollegen nun die „zurückgewonnene“ Energie in Ideen und Lösungen stecken, dass sie dabei auch nach dem „Wozu“ fragen und sich öfter trauen, etwas auszuprobieren. Das „Experiment“ ist noch mehr zu einem wichtigen Instrument geworden. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Wir sind noch ganz am Anfang, was „Lösungsfokussiertes Arbeiten“ betrifft. Immerhin sind wir 200 Kolleginnen und Kollegen, die an einer Applikation zusammenarbeiten.

Doch wir wissen ja, „Geduld und Zuversicht“ und die „Macht der kleinen Schritte“ sind es, die uns weiter bringen. So kann ich zurückblickend sagen: „Weg mit den Ishikawa“ war für uns alle der erste, entscheidende und sehr wichtige Schritt in Richtung eines lösungsfokussierten Vorgehens. Was inzwischen in diesem Jahr alles passiert ist, kann ich – wenn Ihr wollt – ja in weiteren Blogbeiträgen erzählen.

Wofür ist das Ishikawa-Diagramm gut?

Der Name „C&E“ (cause/s and effect/s) bzw. „Ursache-Wirkungs-Diagramm“ erklärt ganz schön worum es geht, nämlich die Zusammenhänge zwischen Ursachen und Wirkungen zu verstehen. Wo hat Kaoru Ishikawa das Diagramm selbst eingesetzt? Als eines der „Seven Tools of Quality“, auch Q7 werden damit Problemquellen in der Fertigung bei Material, Methoden, Maschinen und Mensch (= 4M) aufgezeigt. D.h. es geht um Problemquelle(n) und deren Beseitigung (= einfache Lösung). Auch wenn später die Erweiterung auf „8M“kam, war es nie als Werkzeug für komplexe Themen oder gar komplexe Systeme in der Entwicklung gedacht. Dementsprechend ungeeignet ist es dort auch. Vgl. Wikipedia Nachteile.

Wo habe ich es schon bei komplexen Themen trotzdem verwendet? In einer Powerpoint-Präsentation, um Lösungen (die lösungsfokussiert erarbeitet wurden) einem Publikum von amerikanischen Ingenieuren vorzustellen bzw. zu erklären. Diese Personen sind C&E gewohnt und verstehen so die Inhalte schneller und einfacher. Zusätzlich habe ich zwei Pfeile zwischen „Ästen“ eingetragen, um die übergreifenden Zusammenhänge wenigstens ansatzweise sichtbar zu machen. Achten Sie jedoch bei dieser Vorgehensweise darauf, dass die Betonung auf der Lösung bleiben muss!

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  1. […] Im letzten Gast-Blogbeitrag habe ich kurz von einer Retro berichtet, in deren Verlauf ich an meine erste Begegnung mit Ralph und den Folgen denken musste: “Weg mit den Ishikawas”. […]

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