Der Unterschied zwischen Coaching, Supervision und Fallberatung – und wann du was brauchst

Junge Frau mit Brille sitzt im roten Sessel mit einer Coaching-Haltung und viel Aufmerksamkeit

Drei Türen, eine Entscheidung

Letztens habe ich den Spruch gelesen: „Alltag ist wie ein Computerspiel – man sucht ständig nach Lösungen für die nächste Aufgabe/das nächste Level.“

Und genauso fühlt es sich oft an: Du spielst dich durch. Level für Level. Hast du eine Aufgabe gelöst, wartet schon die nächste Challenge auf dich. Und manchmal weißt du einfach nicht mehr weiter – dann stehst du da. Vor dir drei Türen. Dahinter geht’s weiter – irgendwo liegt die Lösung. Noch kannst du das Ziel nicht sehen. Nur diese drei Türen.

So ist es manchmal im privaten, sowie auch im Arbeitsalltag. Du merkst: Allein komm ich hier nicht mehr weiter. Und dann stehen sie plötzlich vor dir – drei Möglichkeiten: Fallberatung, Supervision oder Coaching. Drei Wege, die unterschiedlich aussehen – und doch alle helfen können, das nächste Level zu erreichen.

Tür 1: Fallberatung – Der Tisch im Mittelpunkt für konkrete Situationen

Hinter der ersten Tür steht ein großer Tisch. In der Mitte liegt ein Fall – eine konkrete Situation, die dich und/oder dein Team beschäftigt:

  • ein Elterngespräch, das eskaliert ist,
  • ein Streit zwischen zwei Kolleginnen,
  • ein Vorfall, der ein agiles Projekt blockiert.

Die Moderatorin oder der Moderator sorgt für Struktur: Man schaut gemeinsam drauf, jede Person bringt Perspektiven und Ideen ein. Und am Ende geht ihr mit einer konkreten Lösung oder zumindest einem nächsten Schritt aus dem Raum.

Tür 2: Supervision – Das Spiegelkabinett für das Gesamtsystem

Machst du die zweite Tür auf, findest du einen Raum voll mit unterschiedlichen Spiegeln. Du siehst hinein – und erhältst je nachdem, in welchen Spiegel du blickst – eine neue Perspektive auf dein Team, deine Rolle, dein System.

Supervision heißt „von außen/oben draufschauen“ – also Dynamiken erkennen und verstehen. Sie ist ideal, wenn es um berufliche Rollen, Teamkonflikte oder organisationale Prozesse geht:

  • Im Kindergartenteam, wenn es knirscht zwischen den Kolleginnen und Kollegen, Eltern und/oder Kindern.
  • In einem agilen Projekt, wenn das Team in jeder Retro dieselben Baustellen wälzt und du dir denkst: „Und täglich grüßt das Murmeltier.“ (hoffentlich ist es wenigstens ein süßes Murmeltier…)
  • Als Führungskraft, wenn du mal wieder zwischen allen Stühlen sitzt – und dich fühlst wie der Käse im Sandwich.

Supervision ermöglicht es dir oder euch, große Teile des ganzen Systems sichtbar zu machen: Rollen, Erwartungen, unausgesprochene Muster. Und manchmal reicht schon ein Blick in den richtigen Spiegel, um zu merken: „Aha, deswegen kracht es immer wieder hier.“

Tür 3: Coaching – Der Raum mit den großen Fenstern und dem Fernglas

Der Coach ist kein Berater, kein „Mach doch mal so“-Typ, kein „Ich kenn das Problem, da funktioniert nur …“-Mensch. Ein Coach gibt keine Rezepte, sondern fragt dich nach dem Ziel:

  • Was willst du wirklich?
  • Wo willst du hin?
  • Welches Ziel steckt eigentlich dahinter?
  • Welche deiner Stärken kannst du dafür nutzen?
  • Was kannst du selbst tun, um dein Ziel zu erreichen?
  • Was könnte der erste kleine Schritt sein?

Ein Coach sieht dich als Expertin oder Experte für dein Leben, deine Ziele, deine Entscheidungen. Du siehst klarer, indem du durch die Fragen selbst erkennst, was schon in dir steckt – und wie du es nutzen kannst.

„Ratschläge sind auch Schläge.“, heißt es so schön. Genau deshalb verteilt ein Coach keine „Schläge“, sondern eröffnet dir Fenster in neue Räume, in denen du deine eigenen Lösungen findest – und das funktioniert über ganz viele Fragen.

Der klare Unterschied: Fallberatung vs. Supervision vs. Coaching

Format Fokus Ziel
Fallberatung Ein einzelner Fall / eine konkrete Situation Konkrete Handlungsschritte für diesen Fall finden
Supervision Das ganze System (Rolle, Team, Organisation) Verstehen und verändern von bestehenden Mustern
Coaching Das Ziel definieren und den ersten Schritt finden Klarheit über das generelle Wozu und das konkrete erste Wie erlangen

Jedes dieser Formate ist in unterschiedlichen Situationen hilfreich. Manchmal steht man an einem Punkt, an dem man auf der eigenen Reise nicht weiterweiß.
Manchmal gibt es einen grundsätzlichen Fehler im Gesamtsystem, für den es hilfreich ist, mal auf die Metaebene zu steigen, sich emotional ein Stück zu entfernen und die ganze Sache von außen zu betrachten.

Und manchmal ist es nötig, erstmal zu überlegen, worum es hier eigentlich geht und wo man hinwill, um die Anzahl der Lösungsmöglichkeiten zu erhöhen und dann die passende für sich auszuwählen.

Lesetipp: Zu diesem Thema kann ich auch den Artikel „Was ist Coaching?“ vom Coaching Dachverband empfehlen.

Erkenntnisse, die Türen öffnet: Der Kern der Veränderung

Alle drei Räume haben etwas gemeinsam: Sie schaffen neue Erkenntnisse. Erkenntnisse, die Türen öffnen.

Und genau hier liegt auch der Kern von Marshall B. Rosenbergs Gewaltfreier Kommunikation. Als Symbol für das Zuhören mit dem Herzen hat er die Giraffe gewählt. Und wusstest du wieso? Die Giraffe hat (biologisch) das größte Herz aller Landtiere! Der lange Hals hilft ihr (metaphorisch) außerdem den Überblick zu behalten und ihre feinen Ohren hören nicht nur, was jemand sagt, sondern auch, was gebraucht wird. Und damit ist schon vieles da, was man für das Gewinnen neuer Erkenntnisse in allen drei beschriebenen Formaten braucht.

Am 6. Oktober, dem Tag der Gewaltfreien Kommunikation, werden wir daran erinnert: Worte können Türen zu neuen Erkenntnissen versperren – oder öffnen. Coaching, Supervision und Fallberatung öffnen diese Türen.

Und heute, am 10. Oktober, dem Welttag der psychischen Gesundheit, geht es genau darum: Räume zu haben, die uns hoffnungsvolle neue Erkenntnisse bieten und uns damit entlasten, Orientierung geben und die innere Balance stärken. Räume, die verhindern, dass wir uns im Gewirr unserer negativen Gedanken verheddern – und uns stattdessen mit Zuversicht und Klarheit weitergehen lassen.

Mini-Übung à la Rosenberg für dein nächstes „Level“

Zu jeder Theorie gehört Praxis. Hier eine kleine Übung, die dir dabei helfen kann, in deinem Alltag klarer zu sehen:

Mini-Übung:

  • Beobachtung (der Tisch): Nimm eine kleine Situation aus deinem Alltag. Frage dich: Was habe ich beobachtet? (Wichtig: ohne Bewertung).
  • Gefühl (der Spiegel): Welches Gefühl löst das in mir aus?
  • Bedürfnis (das Fenster): Welches Bedürfnis steckt dahinter?

Wenn du dich jetzt fragst: Okay – und was mach ich jetzt damit? Probier’s aus – und du wirst merken:

  • Missverständnisse werden kleiner.
  • Gespräche werden entspannter.
  • Du erkennst klarer, worum es dir eigentlich geht – das eröffnet neue Möglichkeiten.

Mein persönliches Mantra, das ich als Führungsperson von Veronika Jungwirth gelernt habe, passt hier wunderbar dazu: „Es gibt keine persönlichen Angriffe. Es gibt nur schlecht formulierte Bitten.“

Vielleicht ist die wichtigste Entscheidung nicht, welche Tür du öffnest, sondern, dass du nicht ewig davorstehst. Denn davor bleibt alles gleich. Dahinter wartet Bewegung – und manchmal auch ein Keks 🍪.